Petra Wolf-Perraudin - Opernsängerin, Belcanto, Mezzosopran, Altistin

Petra
Wolf - Perraudin

Opern- und Konzertsängerin
Mezzosopran

Spezialgebiet:
Canto italiano / Belcanto
& Liedinterpretation

LA CONOSCENZA DI CANTO

vom sängerischen Wissensdurst
und der Gesangslehre von Professoressa Loretta di Lelio und Franco Corelli

Ein kommentierter Erfahrungsbericht von Petra Wolf-Perraudin


Italienisches Repertoire so authentisch wie möglich und besonders gut zu singen, war für mich, besonders als deutsche Sängerin, immer erstrebenswert und bezüglich meines italophil-musikalischen Naturells ein besonderes Anliegen.
Schon in meinen Studienjahren fühlte ich mich der italienischen Opernliteratur näher als der deutschen, also eher als "Italiana" denn als "Wagneriana".
Doch scheint man in hiesigen Breiten als Sänger deutscher Abstammung nahezu zu deutschen Opernrepertoire gezwungen, was mir immer außerordentlich unverständlich war.
Diese Kategorisierungen waren nicht immer so. An dieser Stelle erwahnenswert ist die Lieblingssangerin des Komponisten Verdi - eine deutsche Sopranistin namens Theresa Stolz. Verdi hat ihr seine grosten Sopranpartien gewidmet.
Gerade hatte ich italienisches Repertoire im Engagement gesungen, da entstand der Wunsch nach mehr, wozu ich nach meiner Überzeugung eine andere Art der Gesangstechnik und Stimmgebung benötigte - eine italienische - speziell für die Partien der italienischen Oper.
In meinen intensiven Studienjahren hatte ich unzählige Belcanto-Opernabende an großen Häusern mit Starbesetzungen besucht, zahlreiche Aufführungen an der Hamburger Staatsoper, bei den Salzburger Festspielen oder Produktion wie Ciléas Adriana Lecouvreur in München mit Margret Price und Neil Shicoff und kannte die notwendige qualitative Präsenz und Leistungsfähigkeit großer Belcanto-Stimmen live.
Die qualitativ und quantitativ gerechte Einschätzung dieser extremen Leistung bestimmter Partien konnte ich erst später in meinen eigenen Berufsjahren in Live-Erfahrungen von Opern-Vorstellungen mit geforderter physischer Höchstleistung großer Partien im Realen relativieren. Diese kompentent erlebte Form der nachvollziehbaren, selbst erlebten Relativierbarkeit von künstlerischen Leistungen, einer Dimension wie oben beschrieben, ist bei Kritikern und intellektuellen ”Bewertern” nicht voraus zu setzen.
Diese verfügen in der Regel nicht über eigene Erfahrung der praktischen Situation einer eigenen Produktionsarbeit, sondern relativieren rein geistig und hypothetisch ein Leistungsergebnis, ein Abbild der Leistung in abstrahierter Form, ein Ergebnis einer anderen Dimension!
Als wichtiges Schlüsselereignis sollte sich Jahre später folgende Begebenheit zeigen:
Ein Sängerkollege und Kenner der italienischen Gesangskunst hatte mir 1989 ein Video zur exemplarischen Demonstration eines Jahrhundert-Tenor-Ereignisses der Belcanto-Gesangskunst zur Ansicht übergeben: ein Arienabend der Welt- und Jahrhundert-Stimme - Franco Corelli, dem für mich eindeutigen Nachfolger Carusos. In seinen Konzertauftritten in New York und Japan hörte ich Corelli auf diesem Video bewusst zum ersten Mal.
Dieser Gesang des italienischen Spinto-Tenors Franco Corelli hatte etwas Übermenschliches:
ich hörte die herrliche Stimme einer Sängerpersönlichkeit "wie von einem anderen Stern" die mich zu langem, andächtigen Schweigen brachte. Diese Mühelosigkeit der strahlendsten Töne in stupend hoher Tonlage, dazu mit großer Musikalität, Emotionalität und Authentizität.
Dabei schien doch alles so natürlich unverkrampft, leicht und wunderbar eingesetzt - einfach eine atemberaubend grandiose Leistung. Es war eine der herrlichsten Stimmen die ich je gehört hatte. Einfach großartig!
Dass diese erste "Begegnung" mit Franco Corelli schon bald zu einem Wende- und Angelpunkt werden würde, hatte ich zu jenem Zeitpunkt nicht erwartet.
Leider erschien im Zusammenhang mit Corelli jedoch unglaublich viel Inkompetentes, das auf dem Niveau einer aus Unkenntnis heraus destruktiven Meinungsbildung produziert wurde, die eigentlich Niemandem zusteht und auch Niemandem nützt. Ein Theoretisieren über einen individuell subjektiven, real nicht relativierbaren Höreindruck urteilt in diesem Zusammenhang nur aus einer sehr eingeschränkten Perspektive der Rezeptivität heraus und ignoriert dabei wichtige, grundlegende Aspekte, die für eine reale und fundierte Einschätzung der praktischen Ausführung besonderes Gewicht haben müssten.
Im Frühjahr 1991 vermittelte mich eine Wiener Opern-Agentur für das Projekt einer anstehenden Belcanto-Meisterklasse für junge, bereits engagierte Opernsänger, die einmalig im Sommer 1991 in Wien stattfinden sollte.
Als ich erfuhr, wer diese Meisterklasse leiten würde, konnte ich es kaum glauben…. Franco Corelli, der sensationelle Tenor, eine Meisterklasse ... Ich hatte sofort zugesagt. Kurzentschlossen belegte ich einen Kompakt-Italienischkurs in Bologna, um eine der wichtigsten Teilnahmebedingungen – ausschließlich Italienisch ! – zu erfüllen. Sechs Wochen später war es dann soweit ... Der Meisterkurs am Wiener Konservatorium mit Franco Corelli begann.
Die Teilnehmer kamen aus allen Himmelsrichtungen, die meisten schon seit Jahren im Sängergeschäft. Nach fünf Vorsingen wurden die aktiven Teilnehmer wie in einem üblichen Wettbewerbs-Verfahren bekannt gegeben.
Im Einzelunterricht wurde dann drei Wochen lang hart und intensiv gearbeitet. Erst bei Professoressa Loretta di Lelio, italienische Sopranistin und Belcanto Spezialistin, dabei hervorragende Pädagogin ... dann bei Franco Corelli - beide "auf einer Linie" mit Vocalizzi, Esercizi ... und gelegentlich auch eine Korrepetition der Arien. Das Meisterklassen Finale: ein großes ORF-Abschlußkonzert im Kawai-Saal, zu dem VIPs, darunter auch Placido Domingo, erwartet wurden.
An dieser Stelle möchte ich einen wesentlichen Irrtum richtig stellen. Nach deutscher Lehrmeinung ist der Belcanto ein Gesangsstil, den man als Interpretationsstil je nach Belieben erlernen und einsetzen kann...
6 Aus Erfahrung aber weiß ich, dass eine andere, d.h. eine "italienische Gesangstechnik" erlernt werden muss, die durch Koordination von Stimme und Atem, erst die Kunst der Linie und weichen Stimmführung großer Bögen möglich macht, die Stimmen körperreich ausbildet und nur durch ein sehr gut trainiertes Zwerchfell die stimmliche Führung koordiniert sowie die Verbindung von Dramatik und Beweglichkeit stimmlich herstellt.
Die Fähigkeit zum Belcanto-­-Gesang ist abhängig von der Gesangsschule, die den Stimmsitz und die physische Koordination herstellt, darüber hinaus die Lehre des italienischen Interpretationsstils mit dem Bewegungsverhalten der Sprechwerkzeuge, der Kehlposition und der Atemführung, die der Italiener als wichtigste Grundlage für gute Stimmführung ansieht.
Dem Irrglauben, die Umsetzbarkeit des Belcanto wäre abhängig von der Nationalität oder gar genetisch bedingt, möchte ich widersprechen, denn anatomisch entstammen Italiener und Nordeuropäer derselben Gattung Mensch und, aus dem gleichen "westlichen Kulturkreis". Der erlebbare Unterschied liegt im Sprachlichen, dem jeweils regionalen Sprechverhalten, der unterschiedliche muskuläre Voraussetzungen in der Sprechbewegung und Ton-­-Modulation schafft. Diese Unterschiede physisch habitueller Voraussetzungen der muskulären Grundhaltung sind bei einen effizienten, guten Stimmaufbau notwendigerweise zu berücksichtigen !
In Wien erhielt ich von den Corellis persönlich das wunderbare Angebot, die Belcanto- Studien mit ihnen fortzusetzen - eine wirklich große Ehre !
Wesentlich für das Erlernen jenes soliden sängerischen Belcanto-"Rüstzeugs": Mein Weg zur Erlangung der italienischen Gesangstechnik benötigte Jahre jener stimmlichen Neuorganisation, für die diese Meisterklasse nur der Auftakt sein konnte... jedoch der Auftakt einer großen Erfüllung - und schließlich das Begreifen, dass dieses Studium aus Leidenschaft, erst mit beiden Maestri, später ausschließlich mit Signora di Lelio-Corelli, ein wirklich umfassender und wichtiger Erkenntnis-Weg für das allgemeine sängerische und gesangspädagogische Know-how sein würde.
Die Umstellung der neuen italienischen "Technik" bedurfte ein paar Jahre der Studienzeit auf den vielfältigen Ebenen sängerischen Bewusstseins, der Atem-Koordination, von Zwerchfell, Kehle und Muskeln. Danach ... wurde alles gesanglich leichter, selbstverständlicher, subtiler, präsenter.

Es war meine dritte, diesmal rein aus Überzeugung, mehrjährig erarbeitete und konsequent trainierte Gesangstechnik – die ich mit großer Erfüllung fand.

Diese Zeit hat mein Leben verändert und glücklich gemacht - der intensive freundschafltich zugewandte und nahe Kontakt zu den Maestri, sowie die Fortbildung in der "musikalische Heimat" Milano wurden selbstverständlich.
Den größten Teil meiner neu gewonnenen Fähigkeit zur künstlerischen Umsetzung des Belcanto verdanke ich vor allem der hervorragenden gesangs-pädagogischen Kenntnis von Professoressa Loretta di Lelio-Corelli, die auf ihrer langen familiären Tradition und Fachkenntnis fusste.
Seit der intensiven Zeit in Wien 1991 bis 2011 standen wir mit wenigen Unterbrechungen im Zusammenhang mit fortbildenden Vocal-Coachings und Hospitationen in direktem, persönlich verbundenen Kontakt ...
Ich habe unendlich viel gelernt, Wesentliches erkannt und Wunderbares erlebt.
Ich danke beiden Corellis sehr und möchte keinen Moment gemeinsamer Erfahrungen und Freundschaft missen !!!